Sonntag, 10. Juni 2012

Teil 2: Schlechter Tag (Basti)


Ich kann dieses Mädchen einfach nicht leiden! Sie ist die Tochter unserer Erzfeinde. Ich frage mich immer noch, wie ich damals mit ihrer Schwester, ähm... Sophie schlafen konnte. Bei diesen Gedanken könnte ich schon wieder total würgen! O.k., ich gebe es zu: Sie war nicht so schlecht, wie ich es vorhin behauptete.
Ich steh mit meinen anderen sechs Freunde nun draußen vor dem Eingang. Einige ziehen an ihren Zigaretten. Die kalte Luft weht an uns vorbei, wodurch meine Haare wieder zerzaust wurden. Aber nicht nur das, auch auf meiner Haut bildet sich langsam eine Gänsehaut. Was die anderen schwafeln interessiert mich herzlich wenig. Ich muss ein Taschentuch – übrigens schon mein fünftes – gegen meine Nase halten, die nicht aufhören möchte zu bluten. Und von wem wurde das wieder verursacht? Genau, von der kleinen Johnson. Wie heißt die noch mal? Ach ja... Sabrina. Ich wunder mich, dass sie noch nicht in eine Anti-Aggressions-Therapie gesteckt wurde. Heute war aber nicht das erste Mal, dass sie mich zu einem Blutverlust führte.

Ich erinnere mich noch an den Tag, an dem sie in unsere Klasse kam. Das war jetzt ungefähr drei Jahre her. Johnson ließ sich auf einen Platz in der zweiten Reihe nieder und blickte angewidert auf den schmutzigen Schultisch. War ja klar, immerhin wurde sie früher zu Hause unterrichtet und nicht in einer „normalen“ Schule. Scheiß Bonzentochter, sag ich nur! Meine zwei Klassenkameraden unterhielten sich über das gestrige Fußballspiel. Ich hingegen riss mir ein kleines Stück Papier aus meinem Block.
Meine Hand verschönerte dieses abgerissene Blockblatt mit einer etwas unleserlichen Schrift: An deiner Stelle würde ich lieber aufpassen, Johnson. Du wirst beobachtet – und zwar von mir! Also mach nichts, was deinem Vater nur ein bisschen ähnelt, verstanden?
Wütend knüllte ich das Papierstück zusammen und warf es nach vorne, direkt auf ihren Kopf! Zum Glück standen vor uns einige Mädchen, hinter denen ich mich verstecken konnte. Nach wenigen Augenblicken stand Sabrina auf und wollte mir ebenfalls eine Nachricht zurückwerfen. Doch dann erblickte sie einen Gegenstand. Ein großes Klemmbrett von unserem Geschichtslehrer. Sie befestigte ihren Zettel, holte viel Schwung und donnerte das harte Teil gegen meine Stirn. Einen lauten Schrei stieß ich aus mir heraus und drückte meine Hand auf die getroffene Stelle. Kurz darauf spürte ich schon etwas Warmes und Flüssiges zwischen meinen Fingern.

Die restlichen Jahre verliefen für mich ohne Blut zu verlieren. Abends schmiede ich mir zwar immer noch Rachepläne, aber bis jetzt habe ich noch keines davon ausprobiert. Na ja, kein Wunder... Bei fast allen würde sie draufgehen.
Plötzlich werde ich aus meinen Gedanken gerissen, als Paul, der Jüngste in unserer Gruppe, mit seiner Hand vor meinem Gesicht hantiert. Er trägt ein hellblaues T-Shirt und eine dunkle Jeans, dazu noch abgestimmte Sneakers, die sicher einiges gekostet haben müssen. Seine blonde Surferfrisur kam in der Dunkelheit eher braun vor, aber so ist halt die Physik. Oder war es Biologie? Ach, was weiß ich. Eigentlich bin ich ein guter Schüler, aber heute erscheint es mir so, als wüsste ich nicht einmal was Vorne und Hinten ist.
Kommst du dann mit uns?“
Wohin?“, frage ich nach, obwohl es mir relativ am Arsch vorbei ging. Ich verblute hier beinahe! Hallo? Meine Nase! Meine wundervolle und heilige Nase...
Unser Küken fing leicht an zu grinsen: „Typisch Basti, immer am Träumen. Also, dann wiederhole ich es eben für dich noch einmal: Kommst du später mit an den See?“
Ich überlegte nicht lange. Immerhin wusste ich die Antwort schon, bevor er mir die Frage das erste mal gestellt hatte: „Nein, ich gehe lieber nach Hause und versuche diese verdammte Blutung zu stoppen.“
Paul zieht seine Augenbraue verwirrt nach oben und blinzelt oftmals hintereinander. Irgendwie sieht das schon sehr mädchenhaft aus, wodurch ich mein Lachen so ziemlich verkneifen muss. „Seit wann bist du so wehleidig?“
Seitdem ich schon mein fünftes Taschentuch an meine Nase halte und sie nicht aufhören will Blut zu verlieren!“, zische ich ihn an.
Uh, Basti wird eine Zicke, weil seine Erzfeindin ihn geschlagen hat!“ Seine übertriebene hohe Stimme geht mir echt auf den Sack. Ja, in diesem Moment wünsche ich mir nichts Sehnlicheres, als dass ein Tetrisstein oder sonst etwas auf ihn fliegen könnte.
O.k., Schluss jetzt damit, Jungs. Was ist los mit dir, Basti?“ Phil mischst sich jetzt in unser Gespräch ein. Sein vollständiger Name ist Philipp. Ihn kenne ich schon, seit ich denken kann. Ihm konnte ich noch nie etwas vormachen. Wenn er merkt, ich bin nicht gut drauf, dann ist er als erstes an meiner Seite.
Schnaufend lehne ich mich zurück an die kalte Steinmauer, die direkt hinter mir steht.
Ich bin einfach nicht gut drauf. Geht ihr zum See, ich laufe nach Hause und Hau mich aufs Ohr, dann bin ich wenigstens für unseren morgigen Ausflug fitt.“ Zwar blicken beide mich verwirrt an, aber so wie meine Laune momentan ist, ignoriere ich diese. Somit ist dann die Unterhaltung beendet. Bevor sich Phil allerdings auf den Weg macht, schenkte er mir einen Blick, den ich nur zu gut kenne: Schick mir eine Nachricht, wenn du darüber reden willst.
Dann dreht er sich zu unserer Clique um und folgt ihnen auf Schritt und Tritt. Ich hingegen steuere wirklich den Nachhauseweg an.

Schon seit Stunden ist meine weiße leblose Zimmerdecke ziemlich interessant. Meine Nase war endlich sozial und hat eingesehen, dass sie mich nicht verbluten lassen kann.
Aber es ist wieder einmal so, wie an jedem Abend. Meine Gedanken schweifen an eine Person, die man liebt und von der man ebenso die Liebe zurückbekommt, die ich mir schon seit Jahren wünsche. Aber das Leben meint es wieder einmal nicht gut mit mir.
Gelangweilt rappel ich mich von meinem Bett hoch und taste nach der Fernbedienung, die irgendwo hier herumliegen muss. Aber wie Gott es so will, finde ich sie nicht – was für ein Zufall – und faul sie zu suchen, bin erst recht. Es ist gerade einmal halb elf am Abend und ich weiß nicht, was ich mit diesem Tag noch anfangen soll.
Auf einmal ertönt mein Handy mit dem nicht überhörbaren lauten Lied in der Hosentasche.
Sven..“, las ich vom Display ab. Sven ist mein Tourmanager oder wie man das auch immer nennt. Es macht zwar Spaß mit ihm durch ganz Deutschland zu fahren, aber manchmal ist er ein sehr strenger Typ. Vor allem kann er ziemlich gereizt sein, zur späten Stunde. Jetzt bin ich mal gespannt, was er mir so unbedingt, wohl bemerkt am Spätabend, erzählen will.
Ja hallo?“
Hi Basti, ich bin es, Sven. Störe ich dich gerade?“ Wow, er ist an einem Abend gut gelaunt, das wundert mich. Und was ist mit mir? Ich blase hier Trübsal...
Nein, nicht wirklich“, ich erhebe mich aus meiner Liegeposition, sodass ich nun im Schneidersitz auf der Matratze sitzen konnte. „Was ist los?“
Ich hab vorhin versucht, dich auf dem Festnetz zu erreichen, aber da bist weder du, noch deine Eltern herangegangen. Ich soll dich an deinen morgigen Auftritt erinnern.“
Was? Auftritt? Ach du … Ich fahre mit meiner Handfläche verzweifelt über das Gesicht. „Verdammt, das habe ich total vergessen! Wann und wo ist das?“
Um 17 Uhr in Bielefeld. Ich hole dich so um 13 Uhr ab, damit wir dann rechtzeitig ankommen und du dich einsingen kannst, ist das o.k. Für dich?“
Na toll, ich bin morgen eigentlich mit meinen Jungs verabredet. Das kann ich anscheinend jetzt vergessen.
Hörbar atme ich aus: „Ja geht klar. Dann bis morgen.“
Bis morgen!“ Dann tutet es nur noch.
Wieder früh aufstehen, stundenlang Autofahren, auftreten und Autogramme schreiben. Schon langsam wird es wirklich anstrengend für mich. Irgendwann wird mir meine Hand abfallen, da bin ich mir zu hundert Prozent sicher! Noch ein Körperteil, das unter akuten Schmerzen leiden muss.
Langsam laufe ich auf das Fenster zu und starre hinaus auf die von Laternen beleuchtete Straße. Ich vermisse mein altes Leben, wo ich einfach nur Basti war und nicht Sebastian Wurth. Der, der viel mit Freunden unternommen hat und am Wochenende seinen Spaß hatte. Das Gute ist, dass ich die erste Ferienwoche komplett frei habe. Wenigstes etwas, worauf ich mich freuen kann. Aber erst einmal seelisch auf die morgige Autogrammstunde einstellen.
Ich lasse die Rollläden schnell nach unten. Autsch! Verdammt, beinahe verbrannt... Japp, die Ferien beginnen wirklich ausgezeichnet.

Als ich im Bett liege, lasse ich mir wieder einige Rachepläne für Johnson einfallen. Schnell schüttle ich den Kopf. Sie in den Amazonas locken und sie den Piranhas zum Fraß vorwerfen... Na ja, stell ich mir doch etwas zu schmerzhaft vor.
Ich knipse die Nachttischlampe aus und schließe meine Augenlider, wodurch ich langsam einschlief.

9 Kommentare:

  1. wirklich super Respekt ich muss iwie lachen weil die sicht von basti zu genial ist Bonzentochter:DDD

    AntwortenLöschen
  2. Respekt :O richtig geiler Teil !;) ich fand die eine stelle richtig Geil wo er sich sein altes leben wieder wünscht das hast du richtig toll und einfühlsam geschrieben !:)) weiter so !

    AntwortenLöschen
  3. Wow, echt Respekt vor so viel Schreibtalent *_*
    Die Geschichte fängt echt mega gut an. Ich hoffe es geht schnell weiter ;)

    AntwortenLöschen
  4. Die Geschichte ist echt genial! ;D Mal eine andere Seite von allem & so. & die Wörter die du wieder benutzt, ich bin hier nur am Lachen! Schreib einfach nur weiter, der Teil ist geil! *__*

    AntwortenLöschen
  5. Dein Schreibstil und die Ironie in der Story.. echt super :))
    Ich liebe deinen Blog jett schon total :))

    AntwortenLöschen
  6. wow so ein schöner teil :) aber am geilsten ist wirklich die ironie ;D
    ich freu mich schon auf den neuen teil <3

    AntwortenLöschen
  7. gut geschrieben :D vor allem die sache wo er sein altes leben will :) oder wo das ist mit der zimmer decke so gehts glaube ich vielen

    AntwortenLöschen