Schon
steht der Tag des Castings vor der Tür. Ich weiß, ich wollte da gar
nicht hin, jedoch gibt es solche Menschen die dir einfach keine
andere Wahl lassen. Wie Clara zum Beispiel. Sie hat mir übrigens vor
einigen Tagen gestanden, dass sie die Tat begangen hat.
Oh
Gott, wie sich das anhört. Als hätte sie jemanden umgebracht!
Kritisch
betrachte ich mich im Spiegel und drehe mich zum zigsten Mal um meine
eigene Achse.
Ich
trage ein weißes Top, darüber eine schwarze durchsichtige Bluse,
die gut zu meiner eng anliegenden Jeans passen. Die goldene
Federkette, sowie meine goldene Armbanduhr geben dem ganzen seinen
Schliff. Aber dennoch kribbelt es mächtig in meiner Magengrube. Ich
hätte nie gedacht, dass ich so nervös sein könnte.
„Bist
du fertig?“, fragt Clara, die ihren Kopf durch den Türspalt
steckt.
Mit
einer letzten Korrektur an meiner Schminke lächle ich noch einmal
selbstbewusst meinem Spiegelbild entgegen - auch wenn ich weiß, dass
mir der Mut Minuten vorher in die Hose rutscht.
Meine
beste Freundin, Sophie und Mark erklärten sich bereit - laut ihrer
Wortwahl - mir am ersten Tag meiner steigenden Gesangskarriere im
Publikum beizustehen. Meinen Eltern interessierte es im Geringsten,
als ich voller Stolz ihnen davon berichtete. Das einzige, was mein
Vater darauf kommentierte war: „Pass auf, dass du nicht so ein
Höhenflieger wie dieser Wurth da wirst!“ Dabei loderten seine
Augen wie Feuer auf.
„Wow,
hier ist ja viel los“, staune ich, als über hundert Schüler
hinter der Bühne stehen und ihren Text permanent von oben nach unten
durchlesen.
Eine
kleine Frau tritt auf mich zu. In ihrem beiger Hosenanzug und den
passenden schwarzen Pumps, wirkt sie jedoch um einiges größer. Ein
zartes Lächeln umspielt ihre Lippen. „Wie heißen Sie?“,
erkundigt sie sich, während sie ihren Blick dem Klemmbrett richtet.
„Johnson,
Sabrina Johnson.“
„J
- J - J …“, flüstert sie, eher zu sich selbst sprechend. „Ah,
da sind Sie. Sie sind in einer Stunde dran. In der Zeit können Sie
gerne zum Publikumsbereich gesellen. Und ich wünsche Ihnen natürlich
sehr viel Glück!“ Ein letztes Mal schenkt mir die unbekannte Frau
ein strahlendes Gesicht, bevor sie zu der nächsten Kandidatin, die
genauso wie ich einen beeindruckenden Blick durch den
Backstagebereich wirft, elegant stolziert und diese in Empfang nahm.
Auch
wenn ich mir Zuhause vornahm, ein wenig zu üben, habe ich jetzt den
Drang mir ein letztes Mal Mut zusprechen zu lassen. Und wer ist
dafür besser geeignet als meine Begleiter?
Sofort
entdecke ich die drei in einer der letzten Reihen und steuere direkt
auf sie zu. „Ich muss erst in einer Stunde vorsingen“, verkünde
ich gedankenverloren, als ich mich hier genauer umsah. Dieses Zimmer
ist riesig! Schon fast so groß wie in einem richtigen Theater. Na ja
– abgesehen von der grässlichen Wandfarbe, die diesen Raum
umgibt...
Kaum
setze ich mich hin, treten schon die Jurymitglieder durch die Tür,
die aus drei Musiklehrern aus unserer Schule besteht, gefolgt von …
Meine
Wut ist nicht zu überhören: „Was macht der denn hier?!“
Bei
meinen Worten ziehen Mark und Clara schlagartig den Kopf ein. Aber
auch die anderen Besucher drehen sich mit bösem Blick in meine
Richtung. Sophie bleibt weiterhin in ihrem Sessel, als hätte sie
meine Frage völlig überhört. Dennoch ist sie diejenige, die mir
antwortet: „Er gehört zur Jury, wie ich annehme.“
Schnaubend
lehne ich mich zurück. Wieso muss er sich ständig in Allem und
Jedem einmischen? Sicher wusste er davon, dass ich auch mitmache!
Genau, das muss es sein! Er will mir meine Chance kaputt machen.
Meine Träume wie Seifenblasen platzen lassen. Oh nein, mein lieber
Freund. Nicht mit mir! Dem werde ich zeigen, was ich drauf habe!
Koste es, was es wolle!
Die
Jurymitglieder setzten sich auf die für sie hergerichteten Stühle,
außer Wurst. Dieser muss erst einmal ein kleines Pläuderchen mit
einigen aufgetakelten Oberschnitten halten. Seine beiden besten
Freunde platzieren sich hingegen hinter seinen noch freien Platz,
ohne auch den Mädchen einmal in die Augen zu sehen - auch wenn sie
die bohrenden Blicke der Oberzicken-Crew förmlich auf sich spüren.
Ich
hätte eine stehende Ovation abgeben können, als der geehrte Herr
endlich seine Pobacken auf seinen Stuhl fallen lässt.
„Camilla
Schramm, bitte!“, ruft Frau Britz, eine der Lehrern, die erste
Kandidatin auf. Diese tritt zögerlich vor die vier Entscheider.
Sogar aus der Ferne ist ihre Nervosität vollkommen unübersehbar,
sowie ihr angespannter Körper, trotzdem lächelt sie bis über beide
Ohren.
„Die
geht doch in die 10. Klasse, oder?“, wispert Clara zu mir rüber.
Stimmt, jetzt weiß ich, woher sie mir bekannt vorkommt. Den Blick
weiterhin gerade aus gewandt, bejahe ich ihre Frage mit einem kleinen
Nicken.
In
diesem Raum spürt jeder die Anspannung. Einige im Publikumsbereich
sind ebenfalls Kandidaten, die alle für diesen einen Moment singen.
Obgleich man zum Duett-Paar gehört, oder zu den Nebendarsteller.
Alles könnte zum großen Durchbruch reichen.
Mir
wird ganz flau im Magen, als ich diese Situation einschätze. In gut
fünfzig Minuten werde auch ich dort oben stehen.
Wieder
ergreift Frau Britz das Wort: „Was hast du für uns vorbereitet?“
Bevor
die Kandidatin antwortet, wirft sie verstohlene Blicke auf Wurst, der
sich - wie ich denke - nicht im Geringsten dafür interessiert, dass
vor ihm einige Leute um ihr Leben singen. Wieso ist dieser Typ
überhaupt so begehrenswert? Wieso, wieso, wieso?
Ich
kann es einfach nicht verstehen. Ich verstehe diese Mädchen nicht,
die einen Aufstand machen, wenn er nur 50 Meter vor ihnen steht. So
toll ist er gar nicht!
Die
Nervosität steigt mit jeder Sekunde weiter an. In ungefähr fünf
Minuten werde ich oben auf der Bühne stehen. Drei Gesichter, die
meine Zukunft verändern können, sitzen vor mir und werden mich
beurteilen. Das andere Gesicht... Ach keine Ahnung, was er machen
würde. Es regt mich aber dennoch innerlich auf, dass ausgerechnet
die Wurst über mein späteres Leben bestimmen kann.
Bis
jetzt gab niemand der Lehrer inklusive Wurst irgendein Kommentar zu
einem Kandidat ab. Ein einfaches „Danke“ war alles, was jeder
nach seinem Auftritt abbekam.
Immer
wieder tippen meine Füße ungeduldig mit Angst gemischt auf den
Fußboden. Ein – und ausatmen, ein- und ausatmen, ein- und
ausatmen...
„Sabrina
Johnson bitte auf die Bühne!“ Abrupt versagt meine Atmung. Angst,
Angst, Angst, Angst, Angst!!!
In
Nullkommanichts stehe ich auf der kleinen Tribühne. Ich bekam gar
nicht mit, wie ich hier hoch gekommen bin.
„Hallo
Sabrina, was willst du uns heute vorsingen?“
Oh
Gott, meine Beine fühlen sich an wie Pudding. Hoffentlich kippe ich
nicht gleich um! Ich gucke in die Gesichter unserer Musiklehrern,
dessen Blicke entweder auf mich, oder auf ihren Zetteln gerichtet
sind. Wurths Gesicht spricht eindeutig Bände: Langweilig! Mein Herz
pocht mit voller Wucht gegen meine Brust, als wolle es jeden Moment
herausspringen.
Noch
einmal durchatmen, Sabrina … Gesagt getan.
„Ich
wollte Next to me von Emilé Sande singen, wenn es Ihnen Recht ist.“
„Aber
natürlich. Wir wünschen dir viel Glück!“, lächelt mir Frau
Britz entgegen.
Durchatmen
und konzentrieren, dann hast du das hinter dir...
Mein
letzter Blick schweift zu meinen treuen Begleiter, die ihre
gedrückten Daumen mir entgegenstrecken, bevor ich mit jeder einzelne
Zelle meines Körpers das Lied in mir aufnehme und meine Gefühle in
jeden Ton hineinpacke.
Langsam
öffne ich meine Augen. Im gesamten Saal ist es still. Ich komme
langsam wieder zu mir und stehe unter den Lichtern. Ich schaue zu
Clara, Mark und Sophie, die mit einem breiten Grinsen zu mir sehen.
Alle sind wie erstarrt. Es ist so still, dass ich mich frage, ob ich
taub geworden bin. Doch dann fangen die Kandidaten aus dem
Backstagebereich an zu klatschen. Auch die Jury stimmt dem Applaus
mit ein. Ich höre Marks begeisterte Pfiffe über den tosende Jubel
hinweg, und ein strahlendes Lächeln breitet sich auf meinem Gesicht
aus. Lautes Beifallsgejohle steigt aus dem Saal auf, und Frau Britz
tritt auf die Bühne.
Mit
einem Lächeln gibt sie mir die Hand und flüstert mir ins Ohr:
„Herzlichen Glückwunsch. Gut gemacht.“ Dann dreht sie sich zum
Publikum und ruft begeistert: „Das Duett-Paar für den Wettbewerb
steht fest! Sebastian Wurth und Sabrina Johnson!“
Noch
lauterer Applaus schmückte den Raum.
Moment
mal! Ich habe mich wohl verhört?! Wurst und … ich?!
Diesmal
scheint es, als ob ich erstarrt bin. Mit weit geöffneten Pupillen
gucke ich zu meinen Gefährten, denen ebenfalls der Mund offen steht.
Auch
kann ich mir einen Blick zu Basti nicht verkneifen, der schnurstracks
aus der Eingangstür verschwindet, gefolgt von seinen Freunden...
Das
kann nicht gut gehen!
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http://www.youtube.com/watch?v=AGv8cqfnQwI
Das is das Lied, was unsere Sabi singt :)
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http://www.youtube.com/watch?v=AGv8cqfnQwI
Das is das Lied, was unsere Sabi singt :)